Michael Cleff
Imogen Nabel zur Eröffnung der Ausstellung am 04.02.2018
Michael Cleff, geboren 1961 in Bochum, sagt von sich selber: „Ich bin eine Randfigur“. Er zählt zu den wenigen, die aus dem Werkstoff Ton autonome Kunst schaffen und ist einer der bekanntesten Keramiker Deutschlands. Werke von ihm sind in Museen in den USA, Japan und Korea zu finden.
Der Werkstoff Ton ist eine der Grundlagen unserer Zivilisation - mit Gefäßen aus gebrannter Erde, in denen man etwas aufbewahren, lagern und kochen konnte verbindet sich einer der größten Umbrüche unserer Geschichte - der von der Jäger- und Sammlerkultur hin zur Sesshaftigkeit. Die Bandkeramische Kultur, die sich vor rund 7000 Jahren in Mitteleuropa entwickelte und hier im Südwesten ein Zentrum hatte, ist die älteste bäuerliche Kultur mit permanenten Siedlungen. Ihren Namen erhielt sie, weil die frühen Bauern ihre Gefäße, von denen es einige wenige Grundformen gab, mit klaren, geraden Linien verzierten.
Experimentalarchäologen haben versucht, herauszubekommen, wie die Bandkeramiker, die ja noch kein Rad und somit auch keine Töpferscheibe kannten, die Gefäße geformt haben – es war Aufbaukeramik, ein langer Prozess von hoher handwerklicher Fertigkeit. Was hat das mit Michael Cleff zu tun, dem Künstler, den wir Ihnen heute vorstellen möchten? Michael Cleff, Jahrgang 1961, hat das Handwerk des Töpfers – Anfang der 1980er Jahre hieß das noch so – von Grund auf gelernt.
Der Lehrbetrieb in Garmisch-Partenkirchen legte höchsten Wert auf handwerkliche Präzision. Auch wenn Michael Cleff recht schnell klar war, dass keramisches Schaffen für ihn eine andere Dimension haben sollte, als die Herstellung von Gebrauchskeramik an der Töpferscheibe, so hat er in der Lehre die Grundlagen für seine Arbeit erhalten, das Gefühl für den Werkstoff und was mit ihm möglich sein kann.
Ab 1990 studiert Michael Cleff an der Kunstakademie in Düsseldorf, die er 1996 als Meisterschüler von Fritz Schwegler verließ. Konsequent beschritt er dann den umgekehrten Weg - von der Scheibe zur freien Arbeit mit Ton. Dem Material ist er in seinem künstlerischen Schaffen seit über 20 Jahren treu geblieben, auch wenn Fotografie und Grafik dazukamen. Seine Arbeiten sind mehrfach preisgekrönt und in Museen und Ausstellungen europa- und weltweit zu sehen.
Dennoch: Als Künstler, der sich fast ausschließlich mit Keramik beschäftigt, bewegt man sich auch heute noch außerhalb des Mainstreams, immer noch haftet dem Werkstoff etwas Kunsthandwerkliches an, etwas von Hobby. Michael Cleff sind solche Vorurteile egal. Ton ist für ihn kein beliebigerWerk-stoff, sondern ein gleichberechtigter Partner, dessen spezifische Stärken erkennt. Und so verleugnet er ihn auch nicht: so klar und kühl, streng, vielleichtberechnet, seine Plastiken wirken mögen - bei genauerem Hinschauen und dazu möchte ich Sie unbedingt ermuntern -entdeckt man die Spuren des Bearbeitens. Die Oberflächen sind glatt, nicht versiegelt. Die Kanten sind rau, mit Absicht: sie werden aufgeraut und bearbeitet, so dass die Glasur sich hiernicht berechenbar verhält - bewusst lässt Cleff das Eigenleben des Materials zu. Betrachtet man die Werke Michael Cleffs, so fällt einem schnell auf, dass sie eines gemeinsam haben: ihre Fülle an Variationen beruht auf einem Grundschatz an einfachen geometrischen Formen und Körpern. Diese entstehen mit Hilfe von Modeln, Ähnlichkeit ist also gewollt. Bei der Zusammenstellung entsteht dann ein komplexes Seherlebnis. Engoben, Glasuren oder Bemalungen fassen Teile zusammen oder betonen Eigenschaften. Cleffs Ansatz kann man minimalistisch nennen, auch die Farbgebung ist reduziert, das Ergebnis wirkt auf den ersten Blick klar und streng, die immer neue Zusammenstellung der Grundelemente aber macht es organisch. Lange Zeit beschäftigte sich Cleff in erster Linie mit kompakten Körpern, wie die mit den Titeln „Über Addition“ oder „Über Gärten“. Auf den ersten Blickkann man sie leicht mit Architektur in Verbindung bringen, aber so einfach ist es nicht. Denn gleichzeitig breiten sich die Formen von ihren geometrisch strengen Grundrissen nach oben aus, wachsen in den Raum, ein bisschen wie Pflanzen, erkunden ihn, treten in Dialog mit ihm – und dem Betrachter. Die Plastiken haben eine intensive Ausstrahlung von archaischer Kraft. Auch wenn sie nicht groß sind, nehmen sie sich ihren Raum. Von den kompakten Körpern entwickelte Cleff seine Arbeit zu noch weiterreduzierten Körpern: bei der Werkgruppe „Über Grundrisse“ öffnen sich die Grundformen - es könnten Querschnitte der geschlossenen Plastiken sein, Boden und Decke – wenn man in architektonischen Kategorien denkt - fehlen. So werden Luft und Licht – bei den kompakten Körpern ausgeschlossen – Teil des Werkes, strömen hindurch.
Bei den Arbeiten „Große Pläne“ wird Cleff strenger. Die Öffnung bleibt, die Form reduziert sich zu eckigen Rahmen. Auchsie sind modular gefertigt, zusammengefügt - aber nie einfach wiederholt oder symetrisch angeordnet. Noch mehr treten hier die Ränder in den Vordergrund, als Linien. Alle diese Linien wirken lebendig, dynamisch, dem anscheinend streng konstruktivistischen Ansatz steht eine spielerische Komponente zur Seite. Diese spielerische Komponente ist allen Arbeiten Michael Cleffs eigen. Er mag sich vom Minimalismus und Konstruktivismus leiten lassen, er reduziert auf geometrische Formen. Aber die Kombination ergibt immer wieder Neues,Überraschendes, immer Lebendiges.
Eine neue Komponente sind die Werke mit installativem Charakter: Michael Cleff verbindet seine Plastiken mit Fundstücken aus der Realität. Bei der Werkgruppe „Mischung“ in der Rotunde korrespondieren historische Blumenständer aus verschiedenen Stilrichtungen mit Keramiken aus verschiedenen Schaffensphasen. Die „selletes antiques“ sind dabei nicht als reine Sockel zu verstehen, sie treten bewusst in Interaktion mit den keramischen Werken. Im Marktsaal steht eine Installation, die den Betrachter auffordert, selbst Teil des Werkes zu werden. Den Namen gebenden „Pegel“ erkennt man erst, wenn man sich an den Tisch setzt – das kobaltblaue Band, das oberhalb der Tischfläche einen eigenen, zweiten Horizont markiert (s.Bild oben). Wie passen nun Fotografien und Grafiken in den Cleffschen Kosmos? Es ist denkbar einfach - sie sind eine konsequente, für Cleff logische Fortsetzung, denn auch für das zweidimensionale Schaffen ist die Keramik die Basis. Die Grafiken, die Sie hier und in den anderen Räumen sehen, sind Frottagen. Die Grundlage bilden bei den „Klischee“ genannten Bildern mal die Kanten, mal die Oberflächen keramischer Werke. Jede Zeichnung ist quasi die Spur, die eine Keramik auf Papier hinterlässt – und somit die reduzierteste Form eines räumlichen Werks, die es nur geben kann. Es gibt nur noch den Rand, keinen Körper mehr. Aber der Rand ist immer noch ein bisschen mehr als eine einfache gezeichnete Linie, die der Künstler selber hätte ziehen können. Auch hier tritt Cleff wieder in Dialog mit dem Material. Wie auch bei den Fotografien: die Grundlage sind wiederum Keramiken.
Die extremen Ausschnitte, die Cleff dabei wählt, nehmen Details ins Visier, die nun auf ihre Art ein eigenes Leben entwickeln. Die Großaufnahmen enthüllen das Material, geben ihm auf diese Weise eine eigene ganz besondere Wertigkeit. Ein winziger Ausschnitt wird zur bildfüllenden Landschaft, Komposition, zu etwas Eigenständigem. Wer genau hinschaut, erkennt an manchen Werken Pixel, scheinbare Fehler. Sie entstehen bei der Bildbearbeitung - aber Cleff retouchiert sie nicht, er gesteht auch hier dem Material, dem Prozess zu, sich einzumischen.
Cleffs Werke sind also ein beständiger Dialog zwischen Material, Technik und Künstler - und dieser soll sich mit dem Betrachter fortsetzen. Ich möchte Sie herzliche einladen, sich in aller Ruhe den Werken zu widmen und – auch wenn das vielleicht merkwürdig klingt - zuzuhören.